Spracherwerb
SprachBildung
Fortbildung
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Sprachliche Bildung
in der Kindertagesstätte
Empfehlungen für pädagogische Fachkräfte
Alles
Folgende gilt für ein-
und mehrsprachig aufwachsende Kinder gleichermaßen. Speziell zu
mehrsprachiger Entwicklung und Erziehung und zum Umgang mit
Mehrsprachigkeit im Elementarbereich s. ausführlich: www.zweisprachigkeit.net
Gesunde Kinder erwerben
Sprache quasi von selbst. Sie brauchen dafür keine gezielte Förderung.
Voraussetzung ist jedoch ein Umfeld, in dem die Grundsätze kindlicher Spracherwerbsprozesse
berücksichtigt werden: Kinder erwerben Sprache durch Imitation und
Verstärkung, unbewusst-intuitiv, ganzheitlich, in Interaktion und
konkreter Handlung. An diesen Prinzipien muss sprachliche Bildung in
der Kindertagesstätte ansetzten, um Kinder wirklich zu erreichen und
sie in ihrer Entwicklung zu unterstützen – das gilt für ein- und
mehrsprachig aufwachsende Kinder gleichermaßen. Im einzelnen:
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Kinder
orientieren sich an den Sprachvorbildern ihrer Umwelt. Reflektieren Sie
daher ihr eigenes Sprachverhalten sorgfältig:
-
Richten Sie Ihre Sprache nach
dem Sprachniveau des Kindes aus, bzw. „eilen“ Sie diesem leicht voraus.
-
Sprechen Sie in ganzen Sätzen.
-
Verwenden Sie eindeutige
Wörter. Sprechen Sie sich im Team ab.
-
Achten Sie auf eine deutliche
Aussprache.
-
Auch wenn es widersprüchlich
klingt: Behalten Sie bei all dem ein natürliches Sprachverhalten bei.
Sagen Sie z.B. lieber einmal „dat“, bevor Sie das Gefühl haben,
vollkommen unnatürlich zu sprechen. Thematisieren sie dies offen: „Ach,
jetzt habe ich schon wieder dat gesagt. Richtig ist aber – wer weiß
es?“. Gespräche über Sprache machen den Kindern Sprache bewusst – eine
sehr gute Unterstützung ihrer sprachlichen Entwicklung!
-
Sprechen Sie selbst lebhaft und
engagiert. Gehen Sie spielerisch mit Sprache um. Entdecken Sie Ihre
eigene Freude an Sprache – leben Sie sie den Kindern vor.
-
Mehrsprachige Erzieher/innen
stellen ein Vorbild vor allem für die mehrsprachigen, aber auch für
einsprachige Kinder dar, indem sie Mehrsprachigkeit als
Selbstverständlichkeit vorleben.
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Kinder erwerben Sprache
in Gesprächen, die in Dialogform geführt werden. Das Kind sollte aktiv
in das Gespräch eingebunden sein, also auf das reagieren können, was
Sie sagen, und erleben, dass seine Gesprächsbeiträge wiederum eine
Reaktion bei Ihnen auslöst. Voraussetzung für derartige Interaktion ist
ein Vertrauensverhältnis zwischen Ihnen und dem Kind.
-
Sprechen Sie das Kind an, auch,
wenn dieses u.U. anfangs nur durch Körpersprache reagiert (z.B., weil
es noch nicht gut sprechen kann, oder schüchtern ist).
-
Drängen Sie das Kind nicht zum
Sprechen.
-
Begleiten Sie Ihr eigenes und
das Handeln der Kinder durch Sprache, jedoch nicht, indem Sie lediglich
alles kommentieren („So, jetzt legen wir die Löffel auf den Tisch“),
sondern indem Sie Sprache als wichtigen Bestandteil in die Handlung
einbauen („Heute gibt es Suppe. Welches Besteck brauchen wir?“)
-
Schaffen Sie ein
sprachanregendes Klima. Sprachanregend sind alle Situationen, die
„unfertig“ sind, deren Ablauf nicht vorgegeben ist, die Fragen
aufwerfen, Erstaunen auslösen etc.
-
Greifen Sie Themen und konkrete
Erfahrungen der einzelnen Kinder auf. Wenn ein Kind Ihnen z.B. ein Bild
zeigt, sagen sie nicht einfach: „Oh, schön!“ sondern fangen Sie ein
Gespräch darüber an. Fragen Sie nach, erzählen Sie selbst etwas dazu...
-
Vermitteln Sie, wo immer es
möglich ist, konkrete Erfahrung und besprechen Sie Themen nicht
ausschließlich anhand von Bilderbüchern. Gehen Sie z.B. in eine
Bäckerei, und schauen Sie, wie Brot gebacken wird, backen Sie selbst
eines etc.. Je vielfältiger die Erfahrungen, desto intensiver werden
die Kinder ihre Umwelt be-greifen – eine wichtige Basis sowohl für ihre
sprachliche, als auch kognitive Entwicklung.
-
Fragen Sie die Kinder nach
ihren Erlebnissen: Was hast Du gestern Nachmittag zu Hause gemacht?
-
Räumen Sie genügend Zeit zum
Sprechen ein.
Kinder erwerben Sprache
unbewusst-intuitiv. Das bedeutet, dass sie die Fehler („Ich bin ganz
schnell gerennt!“) nicht wahrnehmen und nicht reflektieren können.
Zudem ist für Kinder vor allem der Inhalt des Gesagten wichtig –
weniger die Form. Also:
-
Direkte Verbesserungen („Das
heißt gerannt!“) oder Aufforderungen zum Nachsprechen („Sag mal
gerannt!“) sind demotivierend für das Kind und darüber hinaus meist
erfolglos.
-
Besser ist es, das Kind
indirekt zu verbessern. Aber: Bei einer reinen Wiederholung des Satzes
(„Ja, Du bist schnell gerannt!“) wird sich das Kind erstens nicht ernst
genommen und zweitens nicht dazu motiviert fühlen, eine Antwort zu
geben.
-
Stellen Sie deshalb offene
Fragen („Warum bist Du denn so schnell gerannt?“). So verbessern Sie
indirekt, signalisieren darüber hinaus Interesse am Inhalt der Aussage
und motivieren das Kind zu Antworten, die über ja / nein hinausgehen.
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Sprache
als fester Bestandteil
Sprache sollte ein fester
Bestandteil im pädagogischen Alltag sein. Zusätzlich zu den bisher
genannten Punkten, die eine begleitende Sprachförderung beschreiben,
können folgende Aktivitäten den Spracherwerb des Kindes unterstützen:
-
Lesen Sie regelmäßig in
Kleingruppen vor. Gehen Sie dafür in einen anderen Raum, zünden Sie
eine Kerze an ... schaffen Sie dazu Rituale und so eine besondere
Atmosphäre.
-
Bieten Sie Spiele an, in denen
Sprache eine zentrale Bedeutung hat, z.B. „Ich sehe was, was Du nicht
siehst...“, sowie Rollenspiele, Puppenspiele etc.
-
Reime, Lieder, Rätsel machen
den Kindern Spaß. Sie unterstützen den Spracherwerbsprozess
spielerisch.
-
Achten Sie darauf, alle Kinder
bewusst zu begrüßen und zu verabschieden.
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Sprachförderung, die
nicht als zeitlich festgelegtes „Training“ (welches, wie aus allem hier
gesagten hervorgeht, den ganzheitlichen Entwicklungsprozessen kleiner
Kinder nicht entspricht und daher auch kaum erfolgreich ist)
durchgeführt wird, sondern den ganzen Tag hindurch begleitend
stattfindet, birgt die Gefahr, dass mit manchen Kindern mehr, mit
anderen weniger oder gar nicht gesprochen wird. Insbesondere Kinder,
die von sich aus wenig sprechen oder insgesamt viel allein spielen,
könnten davon betroffen sein. Eine einfache Methode, dies zu verhindern
ist:
-
„Teilen“ Sie die Kinder Ihrer
Gruppe unter den dort tätigen Erzieher/innen auf. So hat jede/r nicht
mehr 20 Kinder, auf die er/sie achten muss, sondern nur noch 10. Eine
überschaubare Zahl, die gewährleistet, dass mit jedem Kind täglich
mindestens ausführliches Gespräch geführt wird. (Teilen Sie die Kinder
natürlich nicht offiziell auf, sondern unter sich, und wechseln sie ab
und zu).
Die sprachliche Entwicklung von
Kindern verläuft individuell sehr unterschiedlich, und ist von
verschiedenen Rahmenbedingungen begleitet. Um vielfältigen Biographien
ein- und zweisprachiger Entwicklung gerecht werden zu können, und
individuell auf das einzelne Kind eingehen zu können, sind
differenzierte Beobachtungen notwendig.
-
Beobachten Sie das sprachliche
und soziale Verhalten der Kinder. Das können Sie tun, indem Sie einfach
alles notieren, was Ihnen gerade auffällt. Vorteil: Sie sind frei in
Ihrer Beobachtung. Nachteil: Sie werden selektiv nur bestimmte Dinge
wahrnehmen. Verwenden Sie daher einen strukturierten Beobachtungsbogen,
z.B. sismik. Er hat den
Vorteil, dass er Ihre Wahrnehmung auf einzelne Aspekte des sprachlichen
Verhaltens des Kindes lenkt. Achtung: Derartige Bögen unterstützen Ihre
differenzierte Wahrnehmung, sie eignen sich nicht dazu, die
Sprachfähigkeit von kleinen Kindern zu „messen“.
-
Beachten Sie bei Ihren
Beobachtungen auch den Kontext kindlicher Äußerungen: Kindliches
Sprachverhalten ist stark von situativen Faktoren abhängig. Es ist
möglich, dass ein Kind sprachliche Fehler macht, weil es müde,
aufgeregt, abgelenkt ... ist.
-
Führen Sie regelmäßige
Beobachtungen durch, um Entwicklungsfort- oder -rückschritte zu
dokumentieren.
-
Reflektieren Sie auf der
Grundlage der Beobachtungen auch Ihr eigenes Sprachverhalten. Achten
Sie darauf, wie Sie durch Ihr Verhalten dasjenige des Kindes
beeinflussen. Tauschen sie sich im Team darüber aus – Sie werden
feststellen, dass die einzelnen Mitarbeiter/innen u.U. mit demselben
Kind ganz unterschiedliche Erfahrungen machen – und seine sprachliche
Fähigkeiten unterschiedlich einschätzen!
-
Beachten Sie bei der
Beobachtung zweisprachiger Kinder, dass Sie (falls Sie nicht beide
Sprachen des Kindes sprechen) nur einen Teil ihrer sprachlichen
Fähigkeiten beobachten können. Denken Sie daran, dass das Kind über
wesentlich vielfältigere sprachliche Mittel verfügt!
-
Setzen Sie niemals geringe
Sprachkenntnisse automatisch mit Problemen in der kognitiven
Entwicklung gleich.
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Neben der Förderung der Kinder ist es Ihre
Aufgabe, Eltern zu beraten. Im Zusammenhang mit
Spracherwerb und Sprachförderung können Sie sich dabei an den hier und
unter Sprachliche
Bildung in der Familie dargestellten Prinzipien orientieren.
-
Informieren Sie Eltern über
kindliche Spracherwerbsprozesse und Möglichkeiten ihrer Unterstützung.
-
Machen Sie Ihnen bewusst, dass
sie die größte Verantwortung für die sprachliche Entwicklung ihrer
Kinder tragen.
-
Unterstützen Sie
nicht-deutschsprachige Eltern bei der mehrsprachigen Erziehung ihrer
Kinder. Ausführliche Informationen und Empfehlungen dazu finden Sie
unter www.zweisprachigkeit.net.
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Bilden
Sie sich fort
Die Basis für einen sensible und
damit effektive Sprachförderung ist Wissen über Prozesse des kindlichen
Spracherwerbs. Leider wird dieses nicht selbstverständlich in der
Erzieher/innenausbildung vermittelt. Eignen Sie sich dennoch ein
Grundwissen an – es wird Ihnen Sicherheit geben und Sie in Ihrer
alltäglichen Arbeit langfristig entlasten.
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